Wir alle machen uns unsere Gedanken über den aktuellen Kurs der EU. Als leidenschaftlicher Verfechter der Europäischen Vision betrachte ich die Entwicklungen mit Sorge. Die vorherige Generation von Politikern aller Europäischer Länder haben großes geleistet, indem, sie einen Kontinent friedlich vereint haben. Der Friede und die Vision kann aber auch missbraucht werden und eine Währungsunion laden dazu ein. In den letzten fünf Jahren in denen die Wirtschaft brummte wuchs die Schuldenlast der EZB um mehr als 2 Billionen Euro. Das sind 2 Millionen mal eine Million Euro als Summe oder vielleicht noch besser Dargestellt fast 4000 Euro für jeden der 513 Millionen Bürger der EU. Diese Dimensionen sind nicht mehr vorstellbar und ich gebe zu, dass ich mich voller Sorge frage, wohin das denn führen soll. Keine Generation nach uns wird in der Lage seinen einen derart großen Schuldenberg abzutragen und jetzt kommen noch weitere Billionen durch die Corona-Krise hinzu. Die Folgen sind so offensichtlich unabsehbar. Genau das haben nun die höchsten Verfassungsschütze in Deutschland angemahnt und ein Aufschrei Gin durch die Medien. ich bin kein Freund von Formulieren wie „Mainstream-Medien“ oder „Die Politiker“. Dafür sind die Herausforderungen viel zu groß und komplex. Aber wir müssen das Problem doch jetzt an den Ursachen anpacken und können nicht immer nur Reformen anmahnen, um dann Gründe zu finden und zu geben, dass diese Reformen nicht notwendig sind. Gestern habe ich mit Spannung das Pro und Contra von Hans-Werner Sinn (dem ehemaligen Chef des Ifo-Institutes) und Marcel Fratzscher (Präsident des DIW) zu diesem Urteil gelesen. Ich schätze Kompetenz und merke, wenn ich ihr begegne. Beide gehören sicher zu den aktuell führenden Ökonomen Deutschlands. Bildet Euch Eure eigene Meinung. Zwei komplett konträre Aussagen, so dass ich vielen Medien und Politiker hier doch einen Vorwurf mache, so einseitig gegen das Urteil des Verfassungsgerichtes zu argumentieren. Ich denke schon, dass wir dieses Problem angehen und transparent lösen müssen, denn der Weg der EZB muss erklärt werden und das viel deutlicher und viel selbstkritischer. Auch hier begegnete mir mit dem „whatever it takes“ ein Alternativlosigkeit, die nicht in eine Demokratie passt. Die Feinde der EU werden leider stärker und eine kritiklose Haltung, wie ich sie erlebe, oder gar Angriffe auf das Verfassungsgericht  werden diese Beide nur noch stärker machen. Es verhält sich meiner Meinung nach nicht so, dass dieses Urteil in die Hände der EU Gegner spielt. Das Urteil hat Substanz und wir alle sind gut beraten die Rechtsstaatlichkeit aufrecht zu erhalten. Die Bundeskanzlerin hat diese Grenzen bei der Flüchtlingskrise aus humanitären Gründen bereits sehr strapaziert. Da kann man im Nachhinein zustimmen und beide Augen zudrücken. Aber dass in dem Fall dieses EZB-Urteils die EU jetzt gleich mit der Keule schwingt und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anstrengen möchte, ist für mich sehr starker Tobak. Hier halte ich es mit Hans-Werner Sinn, der entspannt auf eine Strafe warten würde, denn diese dürfte Deutschland rein rechtlich gar nicht bezahlen. Und dieser Streit könnte nicht einmal dem EuGH vorgelegt werden, der ja selbst als Kläger beteiligt sein würde. Anstatt in solchen Diskussionen Zeit zu verlieren, sollte die EU sich viel mehr Gedanken um Reformen machen. Reformen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ebenso, wie über Reformen der Union selbst. Denn wenn es so weitergeht, steht die Europäischen Union als Ganzes auf dem Spiel. Vertrauen gewinnt man nur durch Transparenz und ein ehrliches Miteinander. Daher gehe ich davon aus, dass sich die EZB nicht in narzisstischer Selbstgefälligkeit badet, sondern die Auflagen des Verfassungsgerichts des größten Beitragszahlers erfüllt. Alles andere würde ihre Gegner stärken und die Freunde Europas schwächen.
Quelle. Handelsblatt, 22.5.2020 10:56
Schade finde ich bei solchen Darstellungen, dass nicht auf die Argumente des jeweilig Anderen eingegangen wird.