Offener Brief
an den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
von Cay von Fournier, SchmidtColleg, Berlin
Wirtschaftliche Ungerechtigkeit zerstört unseren Wohlstand
„Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist aber der Mittelstand.
Wir brauchen wirtschaftliche Rahmenbedingungen,
bei denen der Mittelstand prosperiert.
Dann schaffen wir Wachstum und dann entstehen Jobs.”
Dieter Hundt
Verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister,
sehr geehrter Herr Altmaier,
ich wende mich heute mit einem offenen Brief an Sie, weil ein großes Problem der deutschen Wirtschaft keinen Aufschub mehr erlaubt. Ich möchte, dass Sie in den gleichen Notfall-Modus eintreten, wie wir ihn beim Klima und in der Pandemie sinnvoll etabliert haben. Ich selbst bin ein unbekannter kleiner Mittelständler, der mit Dienstleistungen für andere Mittelständler sein Geld verdient. In der Regel sind es kleine und mittelgroße Unternehmen, auch manch große und namhafte sind dabei.
Wir sind seit mehr als 35 Jahren als Seminaranbieter und Kongress-Veranstalter auf dem Markt und haben in dieser Zeit mehr als 50.000 Teilnehmer im Rahmen von ca. 1000 Veranstaltungen begrüßt. Alles mittelständische Unternehmer*innen. Ich selbst habe das Unternehmen vor 20 Jahren gekauft und in dieser Zeit konnte ich eine kleine Existenz aufbauen, die dazu beitrug, dass mehr als 20 Familien ein gutes Einkommen hatten. Ich wurde in der Berliner Charité als Facharzt ausgebildet, habe Erfahrung in der Intensivmedizin gesammelt und wechselte in die Wirtschaft. Ich promovierte an der HU Berlin in Medizin und an der TU Dresden in Wirtschaftswissenschaften.
Das nur kurz zur Vorstellung, da wir uns nicht kennen und ich bisher auch die große Öffentlichkeit gemieden habe. Mein Anliegen und das derzeitige Problem ist jedoch viel größer als eine Person oder ein Unternehmen. Es geht um den deutschen Mittelstand, der extrem leidet und trotz der bisher gesunden Struktur in seiner Existenz bedroht ist. Die Grundlage unseres Wohlstandes für alle geht gerade verloren. Ganze Branchen und tausende von Existenzen sind dabei, zu sterben, ebenso wie Menschen auf den Intensivstationen sterben.
Ich begrüße ausdrücklich die Maßnahmen der Bundesregierung zur Pandemie-Bekämpfung. Sie müssen als Regierung in unsicheren und bedrohlichen Zeiten Entscheidungen treffen. Das ist nicht leicht und erfordert Führungsstärke, die ich der Regierung hiermit gerne zuspreche. Wir halten uns in politischen und religiösen Fragen immer neutral, da dies dem Leitbild unseres Unternehmens entspricht. Aber wir wollen unseren Kunden helfen, in guten wie in schlechten Zeiten ihre Unternehmen nachhaltig und erfolgreich führen und weiterentwickeln zu können.
Als Arzt kann ich die Bedrohung, der wir seit einem Jahr gegenüberstehen, beurteilen. Ein Virus ist nie gerecht. Wer einen schweren Verlauf hat und wer nicht, das liegt nicht in der Hand der Ärzte. Der ältere Teil der Bevölkerung braucht dabei unseren besonderen Schutz. Daher auch der Lockdown, die Masken und alle Maßnahmen, die wir noch ergreifen müssen, bis alle Bürger geimpft sind. Mir liegt es fern, jetzt hier die Kritik anzusetzen. Unser Gesundheitssystem versucht alles, um für Gerechtigkeit zu sorgen, indem ALLE die gleichen guten Behandlungen bekommen. Unser Gesundheitssystem ist eine große Errungenschaft und eines der bester der Welt. Ich habe auch in anderen gearbeitet – u.a. in den USA – und kann das beurteilen. Die in diesem System tätigen Menschen leisten sehr viel und verdienen unseren großen Dank.
In der Wirtschaft sieht das leider ganz anders aus!
In unserem Kundenkreis haben wir viele Unternehmen, die das beste Geschäftsjahr in ihrer Firmengeschichte hatten und sagenhaft viel Geld verdient haben. Die Pandemie hat ihre Geschäftsmodelle bevorzugt. Aber ich kenne auch viele Unternehmen, die nicht nur das schlechteste Geschäftsjahr in ihrer Geschichte hatten, sondern die aus einem gesunden Zustand heraus völlig unverschuldet in eine existenzielle Krise getrieben wurden. Sie kennen die Branchen: Hotellerie, Gastronomie, Veranstalter und Künstler, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Die Maßnahmen der Regierung schaffen eine extreme Ungerechtigkeit in der deutschen Wirtschaft. Vergessen Sie die benachteiligten Unternehmen nicht, denn der Schaden, der aktuell zu entstehen droht, wird in den nächsten Jahrzehnten nicht wieder gutzumachen sein. Die Folgen drohen aktuell, wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch und auch rechtlich unabsehbar zu sein.
Ich gönne allen Unternehmen ihren Erfolg von Herzen. Viele davon sind ja auch unsere Kunden. Die Guten wissen, dass sie nicht viel anders gemacht haben als sonst, sondern einfach Gewinner einer tödlichen Krise sind. Aber ich trete mit diesem Brief für all die Unternehmen ein, von denen ich viele persönlich kenne, die jetzt unverschuldet in ihrer Existenz bedroht sind.
Sie brauchen einen fairen Ausgleich für ausgefallene Umsätze und auch Gewinne, von denen die kleinen und mittleren Unternehmer*innen ihr Leben bestreiten und Investitionen tätigen. Die versprochene November-Hilfe, die von Ihnen persönlich Anfang November 2020 (!) zugesagt wurde, ist heute, Ende Januar 2021, immer noch nicht bei den betroffenen Unternehmen angekommen. Sie und Ihr Kollege Scholz haben von schnellen, einfachen und unbürokratischen Hilfen gesprochen. Die Realität sieht ganz anders aus: langsam, kompliziert und bürokratisch!
Sehr geehrter Herr Altmaier, im deutschen Mittelstand gilt noch zu einem großen Teil die Handschlagqualität. “Ein Mann (eine Frau), ein Wort.” Auf die Aussagen guter Mittelständler kann man vertrauen. So funktioniert die Wirtschaft, die Sie zu fördern gelobt haben. Ich möchte Sie hiermit an Ihr Wort erinnern und auffordern, unverzüglich und wahrnehmbar zu handeln.
Ausreden sind ebenso unangebracht wie die Verweise auf Sofort-Hilfen. Es geht hier auch nicht um eine Hilfe, sondern um eine Gerechtigkeit und einen Anspruch, den die betroffenen Unternehmen haben. Staatshilfe mal anders gedacht, sind die Steuern, die mittelständische Unternehmen jedes Jahr bezahlen. Diese Steuern ermöglichen es dem Staat, seinen Aufgaben nachzukommen und auch Ihr Gehalt zu bezahlen. So viele anständige und gute Händler, Gastwirte, Hoteliers, Künstler und auch Veranstalter, wie ich einer bin, können nichts für die Situation und heißen die Maßnahmen gut. Aber der wirtschaftliche Schaden, der Ausfall von Umsätzen und Investitionsmöglichkeiten muss sofort ausgeglichen und ersetzt werden. Wir sind keine Bittsteller, sondern Betroffene und erfahren gerne den gebührenden Respekt, wenn Sie zu Ihrem Wort stehen.
Vergessen Sie den leidenden Mittelstand nicht!
Sorgen Sie dafür, dass die Hilfe jetzt wirklich, einfach, schnell und unbürokratisch bei den Unternehmen ankommt – für die Monate des aktuellen Lockdowns und auch für die Monate im Frühjahr 2020. Denn die Gewährung von Krediten für Unternehmen, deren Geschäftsgrundlage durch den Lockdown entzogen wurde, ist keine Hilfe. Auch diese Kredite sollten in eine echte Hilfe umgewandelt werden.
Deutschland ist Mittelstand!
Lieber Herr Altmaier, nutzen Sie diese Krise als historische Chance, für Werte, Wert und Wachstum in der deutschen Wirtschaft.
Hochachtungsvoll,
Cay von Fournier