“Du” oder “Sie”?
Gestern stolperte ich im Gespräch mit Yasmine über die alte Frage, ob eine „Du-Kultur” oder eine „Sie-Kultur” im Unternehmen die bessere sei. Sie hörte wohl in einen Clubhouse-Talk hinein, bei dem es um diese Frage ging. Da es im Seminar UnternehmerEnergie immer wieder eine spannende Diskussion unter den Teilnehmern ist, fasse ich hier einmal meine Erfahrungen damit zusammen.
Die gute Nachricht lautet, dass es eigentlich egal ist, solange es eine einheitliche Anrede im Unternehmen gibt. Ich kenne „Sie-Kulturen”, die gut funktionieren und durchaus herzlich sind. Und ich kenne viele “Du-Kulturen”, die hervorragend funktionieren. Auch weiß ich, dass mein sehr geschätzter Kollege Reinhard Sprenger für eine Sie-Kultur plädiert und das ewige „Geduze” durch eine kritische Brille sieht.
Das erste Problem ergibt sich immer dann, wenn wir eine gemischte Form vorfinden, was leider häufig passiert. Den Unternehmer*innen und Führungskräften ist es leider oft nicht bewusst, dass dadurch ein kulturelles Organigramm entsteht. Wenn sich einige im Unternehmen duzen und andere siezen, dann fördert dies selten die gemeinsame Sache und auch nicht das gemeinsam gelebte Leitbild. Das sollte allen Beteiligten bewusst sein. Ab diesem Punkt ist es dann individuell, denn eine Kultur, die von einem oder mehreren Unternehmer*innen geprägt wird, muss vor allem authentisch sein. Es wäre ein schlechter Rat, dies von außen ändern zu wollen.
Ich kann vielleicht nur mit meinen Erfahrungen nützlich sein, denn ich habe sehr deutlich festgestellt, dass unsere Seminare an Intensität und Offenheit gewonnen haben, als ich vor einigen Jahren die „Du-Kultur” einführte. Ich fühle mich den Menschen nicht nur näher, ich kann ihnen als Trainer und Coach auch näher sein. Dabei widerspreche ich dem altbekannten Gegenargument, dass sich „Du A….” leichter sagt als „Sie A….”. Mal ehrlich – wenn dem so ist, dann denken es sich die Menschen sowieso und tun das im Geiste meistens in der „Du-Form”. Wenn der Wert Offenheit, den ich morgen in meinem CDI beschreibe, wichtig für die Kultur ist, dann wird in der Regel eine „Du-Kultur” die bessere Wahl sein.
Außerdem kann Respekt viel besser praktiziert werden, wenn sich Menschen auf Augenhöhe begegnen, denn der Faktor Mensch ist und bleibt der wichtigste Faktor für den Erfolg eines Unternehmens. Hier stimmen in der Regel alle zu. Wenn dem so ist, warum dann keine „Du-Kultur”? Ich verbringe bei der Arbeit sehr viel Lebenszeit mit anderen Menschen. Daher fällt mir das „Du” hier viel leichter. Auch in sehr heiklen Führungs-Coachings hat mir das „Du” bisher gute Dienste erwiesen. Meine Kunden kennen das.
Und ein letzter Grund. Wenn ich das „Sie” nötig habe, um Respekt zu zeigen oder entgegengebracht zu bekommen, dann hat die Kultur eines Unternehmens noch viel Potenzial.
Ich kenne die Gegenargumente und achte diese. Daher ist für mich eine „Sie-Kultur” durchaus in Ordnung; Reinhard Sprenger schätze ich sowieso sehr und empfehle seine Literatur.
Treffen Sie eine Entscheidung. Bitte mischen Sie die Formen in Ihrer Kultur nicht oder möglichst wenig. Es ist ja auch ein Zeichen, dass ich in meinen CDIs die Sie-Ansprache verwende. Das hat übrigens den Grund, dass ich hier viele Menschen anspreche, die ich noch gar nicht kenne. In dieser Situation ist das „Sie” für mich selbstverständlich.
Wenn wir uns allerdings in einem Seminar kennenlernen, werden wir schnell beim „Du” sein.