Die Wiedergeburt einer stolzen Nation
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.”
Hermann Hesse
Es ist der Tag nach dem Tag der großen Freude, und wir alle stehen unter dem Eindruck eines guten, würdigen, warmen und menschlichen Neuanfangs in den USA. Wir erleben gerade den Sieg des Lichts über die Dunkelheit. Das ist ermutigend für die ganze Welt, denn ich wünsche diese Energie allen Nationen und auch allen Unternehmen, die sich gerade in der Krise befinden.
Wie viele gute Zeitungen es tun, so möchte auch ich heute meinen Beitrag leisten, das wunderschöne Gedicht von Armanda Gorman zu verbreiten. Es sind Worte, die vielen aus dem Herzen sprechen und die Gabe der jungen Schriftstellerin ist es, die Gefühle der Menschen in Worte zu kleiden. Sie spricht von dem geschundenen Amerika und den Brücken, die es nun gilt, wieder aufzubauen. Solche Brücken sind auch in Europa wichtig und auf allen Kontinenten unseres schönen Planeten, denn wir alle können jeden Tag einen kleinen Beitrag leisten, den Ort, an dem wir leben, ein kleines bisschen besser zu machen.
Das ist es, was ich mit “positiver Energie” meine und ein Beispiel solch positiver Energie findet sich in diesen Zeilen. Nur unweit des Ortes, an dem Amanda Gorman das Gedicht zur Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris vortrug, sprach am 28. August 1963 Martin Luther King von seinem Traum, dass weiße und farbige Kinder eines Tages Hand in Hand spielen werden. Mehr als 57 Jahre sind seitdem vergangen und gestern haben wir erleben dürfen, wie dieser Traum nun beginnt, Wirklichkeit zu werden.
Wir müssen wieder mehr Mut haben, zu träumen, denn jeder Fortschritt und jede Errungenschaft der Menschheit war zuerst ein Traum. Meist ein sehr unrealistischer Traum. Aber glücklich werden die Menschen sein, die dazu bereit sind, zu träumen und die erleben dürfen, wie diese Träume Wirklichkeit werden.
„Der Hügel, den wir erklimmen“
von Amanda Gorman
Mr. President, Dr. Biden,
Madam Vice President, Mr. Emhoff,
Bürger Amerikas und der ganzen Welt,wenn es Tag wird, fragen wir uns, wo wir Licht zu finden vermögen,
in diesem niemals endenden Schatten?Den Verlust, den wir tragen, ein Meer, das wir durchwaten müssen.
Wir haben dem Bauch der Bestie getrotzt.
Und wir haben gelernt, dass Ruhe nicht immer Frieden bedeutet.
Und dass die Normen und Vorstellungen von dem, was gerecht ist,
nicht immer Gerechtigkeit ist.
Und doch gehört die Morgendämmerung uns, noch ehe wir es wussten.Irgendwie schaffen wir es.
Irgendwie haben wir es überstanden und bezeugten eine Nation,
die nicht kaputt ist, sondern einfach unvollendet.Wir, die Nachfahren eines Landes und einer Zeit, in der ein dünnes, schwarzes Mädchen,
das von Sklaven abstammt und von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen wurde,
davon träumen kann, Präsidentin zu werden, nur um sich selbst in einer Situation zu finden,
in der sie für einen vorträgt.Und ja, wir sind alles andere als lupenrein, alles andere als makellos,
aber das bedeutet nicht, dass wir uns bemühen, eine Gemeinschaft zu bilden, die perfekt ist.Wir bemühen uns, eine Einheit zu erreichen, die ein Ziel hat.
Ein Land zu erschaffen, das sich allen Kulturen, Farben, Charakteren und menschlichen Lebensverhältnissen verpflichtet fühlt.
Und so richten wir unsere Blicke nicht auf das, was zwischen uns steht,
sondern auf das, was vor uns steht.
Wir schließen die Kluft, weil wir wissen, dass wir, um unsere Zukunft an erste Stelle zu setzen,
zuerst unsere Differenzen beiseite legen müssen.Wir legen unsere Waffen nieder, damit wir unsere Arme nacheinander ausstrecken können.
Wir wollen niemandem schaden und Harmonie für alle.Lasst die Welt, wenn sonst auch sonst nichts, sagen, dass dies wahr ist:
Dass wir, selbst als wir trauerten, wuchsen
Dass wir, selbst als wir Schmerzen hatten, hofften
Dass wir, selbst als wir ermüdeten, es weiter versucht haben
Dass wir für immer verbunden sein werden, siegreich.Nicht weil wir nie wieder eine Niederlage erleben werden,
sondern weil wir nie wieder Spaltung säen werden.Die Heilige Schrift sagt uns, dass wir uns vorstellen sollen,
dass jeder unter seinem eigenen Weinstock und Feigenbaum sitzen soll
und keiner ihnen Angst machen soll.Falls wir unserer eigenen Zeit gerecht werden,
dann wird der Sieg nicht in der Klinge liegen,
sondern in all den Brücken, die wir gebaut haben.Das ist das Versprechen: Der Hügel, den wir erklimmen,
wenn wir uns nur wagen, denn Amerikaner zu sein, ist mehr als ein Stolz, den wir erben,
es ist die Vergangenheit, in die wir treten und wie wir sie reparieren.Wir haben eine Macht gesehen, die unsere Nation eher zerstören würde,
als sie zu heilen, unser Land zu zerstören, wenn es dazu führe, Demokratie zu verzögern.
Und dieser Versuch war fast erfolgreich.Doch auch wenn Demokratie von Zeit zu Zeit verzögert werden kann,
kann sie niemals dauerhaft besiegt werden.
In diese Wahrheit, in diesem Glauben, vertrauen wir.
Denn obwohl wir unsere Augen auf die Zukunft richten,
hat die Geschichte ihre Augen auf uns gerichtet.
Dies ist die Ära gerechter Wiedergutmachung.Wir fürchteten zu Beginn, wir fühlten uns nicht bereit,
Erben einer solch schrecklichen Stunde zu sein,
doch in ihr fanden wir die Kraft, ein neues Kapitel zu schreiben,
uns selbst Hoffnung und Lachen zu schenken.Also während wir uns einst fragten, wie wir jemals diese Katastrophe überstehen könnten,
fragen wir jetzt: Wie könnte eine Katastrophe jemals uns überstehen?
Wir werden nicht zurück zu dem marschieren, was war,
sondern auf das zugehen, was sein wird.Ein Land, das zwar verletzt, aber dennoch intakt ist, gütig, aber kühn, wild und frei.
Wir werden uns nicht umdrehen oder durch Einschüchterung unterbrechen lassen,
weil wir wissen, dass unsere Untätigkeit und Trägheit
das Erbe der nächsten Generation sein wird.
Unsere Fehler werden zu ihren Lasten.
Aber eines ist sicher: Wenn wir Barmherzigkeit mit Macht verbinden
und Macht mit Recht, dann wird Liebe unser Vermächtnis
und Veränderung das Geburtsrecht unserer Kinder.Also lasst uns ein Land hinterlassen, das besser ist als das, welches uns hinterlassen wurde.
Mit jedem Atemzug aus meiner bronze gegossenen Brust,
werden wir diese verwundete Welt in eine wundersame verwandeln.
Wir werden uns von den Gold beschienenen Hügeln des Westens erheben,
wir werden uns aus dem Wind gepeitschten Nordosten erheben,
in dem unsere Vorfahren zum ersten Mal die Revolution verwirklichten,
wir werden uns aus den von Seen gesäumten Städten des Mittleren Westens erheben,
wir werden uns aus dem sonnengebräunten Süden erheben,
wir werden wieder aufbauen, uns versöhnen und erholen,
und jeden bekannten Winkel unserer Nation und jede Ecke, die unser Landes genannt wird.Unser Volk, vielfältig und schön, wird aufstreben, zerschunden und schön.
Wenn der Tag kommt, treten wir aus dem Schatten heraus, entflammt und ohne Angst.Die neue Morgendämmerung erblüht, wenn wir sie befreien.
Denn es gibt immer Licht,
wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen,
wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.