Die Zukunft hat eine Vergangenheit

„Die Gestaltung einer besseren Zukunft braucht
die Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit.”

Heute ist ein sehr wichtiger Gedenktag in Deutschland. Wir gedenken heute der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, das als Symbol steht für eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Menschheitsgeschichte. Die Nationalsozialisten etablierten in den Jahren 1930 bis 1945 ein Wertesystem, das grausam, narzisstisch und menschenverachtend war. Noch viele weitere Adjektive lassen sich aufzählen – trotzdem wurde dieses dunkelste Kapitel unserer eigenen Geschichte vor gar nicht langer Zeit von einem Mitglied des Deutschen Bundestags als “Vogelschiss” bezeichnet. Dieser Politiker steht für eine Partei, die den in Deutschland latent weiter schwelenden Antisemitismus und Rassismus wieder hoffähig machen möchte. 

Das dürfen wir nicht zulassen, denn unsere Generation trägt zwar keine Schuld, aber Verantwortung. Wir haben eine freie, offene und tolerante Gesellschaft geschaffen. Und die einzige Rechtfertigung für Intoleranz ist innerhalb meines Wertesystems die Intoleranz gegenüber der Intoleranz. Die Feinde einer toleranten Gesellschaft nutzen unsere Toleranz und Meinungsfreiheit, um intolerante Thesen und Haltungen zu verbreiten. Das ist nicht akzeptabel und muss mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates bekämpft werden. Wenn diese Mittel nicht ausreichen, so müssen unsere Gesetze nachgeschärft werden. Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz. Wir haben gesehen, wohin diese Intoleranz in den USA der Gegenwart geführt hat. Jedes totalitäre System nutzt die Werkzeuge zur systematischen Verfolgung Andersdenkender. Dieses andere Denken muss sich aber immer auf Fakten beziehen. Daher sind Gedenktage so wichtig, denn unsere Zukunft können wir nur im Bewusstsein der Vergangenheit gestalten. Wenn wir die Vergangenheit vergessen, so verurteilen wir uns selbst dazu, diese Vergangenheit zu wiederholen. 

Die für uns unfassbaren Verbrechen der Vergangenheit, an die wir heute erinnern, müssen für uns und auch für kommende Generationen immer eine Mahnung sein, dass sich solche Verbrechen niemals wiederholen dürfen. Die aktuellen Entwicklungen in freien (USA) und totalitären (Russland und China) Gesellschaften sollten uns ebenso beunruhigend, wie die sich anbahnenden technologischen Monopole, die ebenfalls eine Grundlage für einen ganz neuen Totalitarismus legen können. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den großartigen offenen Brief, der heute von Mathias Döpfner an Frau von der Leyen gesendet wurde. Es ist mutig, für diese Aussendung den heutigen Tag zu wählen, aber es ist auch sinnvoll.

Ein Überlebender von Auschwitz-Birkenau war Victor Emil Frankl, der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Auf seinem Buch “…trotzdem Ja zum Leben sagen” ist in der dtv-Ausgabe das KZ Auschwitz-Birkenau abgebildet. Ich empfehle Ihnen dieses Buch hier ausdrücklich für Ihre Leseliste. Es ist ein Buch, das jeder gelesen haben sollte. Es gibt auch einige gute Vorträge von diesem Mann im Netz, die ebenfalls sehenswert sind. Von Frankl stammt in einem anderen Buch die Aussage, dass Schuld nie kollektiv sein kann, sondern immer individuell ist. Damals haben sich viele Menschen schuldig gemacht, die sich in einer schwierigen Zeit gegen den Anstand und die Menschenwürde entschieden hatten.

Heute haben wir alle eine im Vergleich sehr angenehme und sehr sichere Lebenssituation. Dennoch müssen wir mitansehen, wie sich viele Menschen gerade gegen den Anstand und gegen die Menschenwürde entscheiden. Ob dies nun der abgelöste schlechteste Präsident der USA ist, oder der Nachbar von nebenan. Die Gedanken und Haltungen, die zu Auschwitz-Birkenau geführt haben, sind auch heute überall präsent. Deshalb ist es so extrem wichtig, dass wir heute an die Befreiung gedenken. 

Dieses Gedenken muss jeden Tag präsent sein, denn es befreit von den Gedanken, die zum Grauen der Vergangenheit führten.